GESCHICHTE

Die Familie in Papendorf – Teil I 

Heinrich Höppner 

* 19. September 1860, †08. August 1926 

Leben und Lebensleistung 

Heinrich Höppner ließ die Villa 1907 im Stil seiner Zeit, dem Jungendstil, bauen. Die Villa liegt inmitten eines 2,3 ha großen gärtnerisch gestalteten Parks, dessen Eingangstor die Initialen von Heinrich Höppner trägt. 

Gegenüber zur Warnow hin lagen die Ziegelwerke Heinrich Höppner, die modernsten und leistungsfähigsten im Norden Deutschlands. In den fünfziger sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts sind die Fabrikgebäude wegen Erschöpfung der Tonvorkommen abgetragen worden. 

Villa und Ziegelwerke waren äußerlich die Symbole von Höppners geschäftlichem und sozialem Aufstieg, die Wurzeln waren sie nicht. 

Heinrich Höppner stammte aus einer mecklenburgischen Bauernfamilie. Sein Großvater war Bauer in Rethwisch bei Bad Doberan. Sein 1825 geborener Vater, der ebenfalls Heinrich hieß, war nachgeboren und wurde Ackerbürger in Rostock. Er lebte Zeit seines Lebens in engen Verhältnissen und verbrachte seine letzten Jahre als Witwer in der Villa seines Sohnes in Papendorf, wo er 1911 starb. 

Heinrich, der Mittlere von drei Brüdern (Karl, der Älteste und Friedrich, der Jüngste) besuchte die Volksschule in Rostock und machte dann eine kaufmännische Lehre im Lebensmitteleinzelhandel in Rostock. Nach deren Abschluss erweiterte er seine Kenntnisse im Groß- und Einzelhandel während eines mehrjährigen Aufenthalts in Hamburg und eröffnete nach seiner Rückkehr in Rostock ein Lebensmittelgeschäft. Gleichzeitig begann er den Großhandel mit Kartoffeln und deren Export schiffsladungsweise nach Schweden und England. Bei Kaisermanövern in Mecklenburg war er Heereslieferant. Kurzum Heinrich Höppner entwickelte früh eine beachtliche Aktivität und begründete durch Fleiß und Zuverlässigkeit seinen Ruf als vertrauenswürdiger Geschäftspartner. 

Ermöglicht und begünstigt wurde sein schnelles Vorwärtskommen durch das friedliche politische Umfeld und durch die weltweite Hochkonjunktur während der Jahrzehnte vor dem ersten Weltkrieg. In Rostock gewann die industrielle 

Revolution eine besondere Dynamik wegen der günstigen Lage an der Warnow und dem direkten Zugang zu den Weltmeeren. Es waren die Gründerjahre. Der Optimismus kannte keine Grenzen. Aus Handwerksbetrieben wurden Industriebetriebe, neue Unternehmen entstanden, Arbeitskräfte wurden knapp. 

Dieser Mangel konnte nur durch Zuzug behoben werden. Das war nicht schwierig, denn die Stadt zog wegen kürzerer Arbeitszeiten, besseren Verdienstes und leichteren Lebens die Menschen an. Rostocks Einwohnerzahl stieg sprunghaft. Das Problem war deren Unterbringung. Die Wohnungsnot in den wachsenden Industriestädten war groß und die Wohnverhältnisse schlimm. 

Diese Wohnungsnot zu lindern, die die arme Bevölkerung am härtesten traf, und deren Wohnverhältnisse den Möglichkeiten und dem Standard seiner Zeit anzupassen, erkannte Höppner als seine Lebensaufgabe. Sie wurde der Kern seines unternehmerischen Schaffens. Sein besonderes Augenmerk galt hierbei den Arbeitern der rasch wachsenden Neptun Werft und deren Zulieferungsbetrieben. Deren Verdienst und deren Arbeitsweg waren die konstanten Größen, die zu berücksichtigen waren beim Erwerb von Bauland und bei der Kalkulation der zu bauenden Häuser. Denn die Mieten mussten für die Werftarbeiter bezahlbar sein. 

Dieses Ziel – moderner Standard und Erschwinglichkeit – war nur bei einer „Massenfertigung“ zu erreichen, d.h. das Baugelände musste in großen Flächen gekauft und die Häuser gleichartig, von einem Architekten entworfen, straßenweise gebaut werden. Nur so ließ sich bei Fenster, Türen, Treppen, Dachkonstruktionen u.s.w. und beim Verhandeln mit Lieferanten und Subunternehmern der Preisvorteil industrieller Serienfertigung erreichen. 

In enger Zusammenarbeit mit der Stadtplanung, der Stadtentwicklung und dem Magistrat der Stadt Rostock baute Höppner auf dem Gelände zwischen Doberaner Platz im Osten, der Ulmen- und Maßmannstraße im Westen, der Wismarschen Straße im Süden und der Doberaner Straße im Norden von 1895 bis 1914 ca. 400 Häuser mit ca. Zwei-, Drei-, und Vier-Zimmerwohnungen. 

Die Häuser in der Körner-, Ulmen-, Borwin-, Margarethen-, Fritz-Reuter und Waldemarstraße, alle noch heute in erfreulichem Zustand, zeigen, wie in den Jahren von 1898 – 1914 „sozialer Wohnungsbau“ aussah. 

Die Ziegeleien im Rostocker Umland konnten die Mauersteine weder in der benötigten Menge noch zum geforderten Preis liefern. Höppner wollte und musste diesen Engpass beseitigen und erwarb deshalb, als seine Bautätigkeit einen immer größeren Umfang annahm, 1903 eine kleine Ziegelei in Papendorf, die er abriss. 

Auf deren Gelände an der Warnow baute er die „Ziegelwerke Heinrich Höppner“, die modernsten im Norden Deutschlands. 

Basis dieser Ziegelwerke waren die großen Tonvorkommen im Warnow-Tal und die günstige Transportmöglichkeit auf der Warnow. Auf diesem Fluss konnten die Steine in Schuten nach dem etwa sieben Kilometer entfernten Rostock transportiert – und umgekehrt, die für das Brennen der Steine und das Heizen der Dampfmaschinen erforderliche Kohle auf dem Wasserweg von Rostock herangeschafft werden. Die Warnow war seinerzeit ein ausgebauter vier Meter tiefer Fluss, der bis 50 Kilometer ins Hinterland hinein schiffbar war und zum Transport nicht nur von Steinen und Kohle, sondern auch von landwirtschaftlichen Erzeugnissen, Kalk und Baustoffen benutzt wurde 

Die Tongewinnung, die Produktion der Mauersteine und deren Transport auf dem Wasserweg nach Rostock, alles war wohl durchdacht und auf einander abgestimmt. Alle Produktionsstufen wurden mit modernster Technik ausgerüstet. 

Das Kraftzentrum der Ziegelwerke war das Maschinenhaus, weiß an Wänden und Fußboden gekachelt mit roten Läufern. In der hohen, blitzsauberen Halle standen zwei Dampfmaschinen. Die größere leistete 520 PS, arbeitete während der Arbeitszeit und erzeugte mit Hilfe von Generatoren den Strom, der von den zahlreichen Elektromotoren der Ziegelei benötigt wurde. 

Die kleine leistete 75 PS und lieferte den Strom für die auch nachts laufenden Motoren, z.B. die der Ventilatoren, die Tag und Nacht die heiße Luft aus den Ringöfen in die Trockenkammern saugten. Die kleine Maschine lieferte auch den Strom für die Haushalte der Ziegelei, wie dieser Teil von Papendorf bald genannt wurde. 

Mit Hilfe der zahlreichen Elektromotoren war der Produktionsablauf voll mechanisiert. 

Elektrisch angetriebene Bagger gewannen den Ton, den elektrische Motoren auf Feldschienen in Loren an einem endlosen Seil auf den Beschickerboden zogen. Dort verdichteten ihn elektrisch betriebene Pressen und schnitten den Tonstrang automatisch in einem vorgegebenen Takt in das genormte Format. Mit diesem Takt war das Tempo der gesamten Produktion vorgegeben. 

Die künstliche Trocknung beschleunigte die Produktion um Wochen und machte sie unabhängig von der Witterung. In den Kammern trocknete die aus den Ringöfen angesaugte heiße Luft die nassen Rohlinge in drei Tagen. Aus den Kammern ging es in einen der zwei Ringöfen, in denen die getrockneten Rohlinge, die Kluten, in etwa 5 Tagen zu Mauersteinen gebrannt und dann mit Schuten auf der Warnow nach Rostock transportiert wurden. 

Der Rationalisierungseffekt war sensationell. Heinrich Höppner produzierte 15-17 Mio. Steine im Jahr mit weniger Arbeitskräften als die Konkurrenz 4 Mio. in ihren altmodischen Betrieben, den sog. Handstrichziegeleien. Natürlich waren seine Kapitalkosten höher, aber „unterm Strich“ waren seine Gestehungskosten niedriger und machten seine Reihenhäuser vermietbar. 

Papendorf benötigte für die genannte Jahresproduktion etwa 75 Arbeiter. Diese waren etwa zur Hälfte ständige, zur anderen Hälfte Saisonarbeiter. 

Die ständig Beschäftigten wohnten in den zur gleichen Zeit gebauten Wohnhäusern auf dem Fabrikgelände, soweit sie nicht ihr eigenes Haus auf der Sturmburg oder auf dem Kreuzkamp in Papendorf hatten. Heinrich Höppner verlangte für Wohnung und Stallungen keine Miete. Auch der Strom wurde während der Saison, d.h. von März bis Dezember von der eigenen Dampfmaschine erzeugt und kostenlos geliefert. 

Kostenlos waren auch die Unterbringung der Saisonarbeiter in der so genannten „Kaserne“, je zwei in einer Stube, und das warme Essen, das mittags an die Saisonarbeiter in der Kantine, dem großen Saal in der Kaserne, ausgegeben wurde. 

Bei Betrachtung des sozialen Umfeldes muss erwähnt werden, dass im Kesselhaus Duschanlagen eingebaut waren, die jeder nach Feierabend benutzen konnte. Das war 1904 auf dem platten Lande in Mecklenburg eine revolutionäre Neuerung. 

Mit diesen Bedingungen sicherte sich Höppner qualifizierte Mitarbeiter bei den ständigen wie bei den Saisonarbeitern. Das war wichtig, denn die geforderte Arbeit war lang, hart, ineinander verzahnt und tempomäßig durch die automatischen Pressen vorgeben. Der Arbeitstag dauerte von morgens sechs bis abends sechs bei insgesamt zwei Ruhestunden, also zehn Stunden täglich oder 60 Stunden wöchentlich. Eine Saison dauerte variabel wegen der unterschiedlichen Länge des Winters von Ende März bis Mitte Dezember. 

Der Erwerb von Bauland in der Größenordnung von Bauernhöfen und die industrielle und nicht mehr handwerkliche Bebauung ganzer Straßenzügen war finanziell nur in vertrauensvoller Zusammenarbeit mit den Banken möglich. Deren Vertrauen besaß Heinrich Höppner. Für alle Verbindlichkeiten haftete er persönlich. Ein Konkurs bedeutete seinerzeit das geschäftliche und gesellschaftliche Aus. Die eingeräumten Kreditlinien beachtete er ebenso so sorgfältig wie seine Liquidität. 

Diese war notwendig, um die fertig gestellten Häuser nach Marktlage und nicht unter dem Druck der Banken veräußern zu müssen. Nahm der Markt die von Höppner fertig gestellten Häuser nicht zu dem von ihm kalkulierten Preis auf, so behielt er sie – auf bessere Zeiten hoffend – bis auf weiteres im eigenen Bestand. 

Der Aufstieg Heinrich Höppners vom Sohn eines Rostocker Ackerbürgers, vom Volksschüler, zu einem der erfolgreichsten Unternehmer und reichsten Bürger der Stadt, kann nur aus seiner klugen Weitsicht, seinem Fleiß, seinem Durchsetzungsvermögen und seinem glücklichen, humorvollen Naturell erklärt werden. Er hatte ein Gespür für künftige Entwicklungen. Er war in Rostock als gebürtiger Rostocker gut vernetzt und er blieb immer der umgängliche, humorvolle, plattdeutsch sprechende Mitbürger. 

„Heinrich der Städtebauer“ nannten seine Freunde ihn in Anspielung auf den berühmten Sachsenkaiser. 

Sein dynamisches Leben und die dynamische Entwicklung jener Jahrzehnte fanden ein abruptes Ende, als im August 1914 der erste Weltkrieg ausbrach. Viele Arbeiter wurden eingezogen und die Ziegelei in Papendorf musste die Produktion einstellen. Auch die im Bau befindlichen Häuser – allein in der Körner Straße waren es neun – blieben unfertig liegen. 

Darüber hinaus verlor Höppner innerhalb weniger Wochen 96 Mieter, da die Frauen der eingezogenen Soldaten zu ihren Eltern zogen, um die Mieten zu sparen. 

Heinrich Höppner war bei Kriegsausbruch 54 Jahre alt. Er stand im Zenit seines Schaffens und musste sich die ihm verbleibenden 12 Jahre bemühen, das Erreichte halbwegs zu bewahren. An eine Weiterentwicklung war nicht zu denken. Die Dynamik, die sein Unternehmen bis zum 14. August vorangetrieben hatte, kehrte nie zurück. 

Heinrich Höppner bezog 1908 die Villa mit seiner fünfköpfigen Familie (Ehefrau Bertha, geb. Allwardt, geb. 1871, Sohn Hans, geb. 1892, Sohn Heinrich, geb. 1894, Tochter Erika, geb. 1904). 

Heinrich Höppner war zweimal verheiratet. In erster Ehe mit Emma, geb. Allwardt, die 1892 den Sohn Hans gebar. Sie starb wenige Monate später an Tuberkulose, die sie sich bei der Pflege Ihrer Mutter zugezogen hatte. 

Heinrich Höppner heiratete einige Jahre später Emmas jüngere Schwester Bertha, die den Sohn Heinrich und die Tochter Erika zur Welt brachte. 

Die Familie Höppner, Eltern wie Kinder wohnten gleichermaßen gern in Papendorf. Vater Heinrich war stolz auf seine Ziegelwerke, die von Fachleuten aus ganz Deutschland besichtigt wurden und genoss das Landleben, wo jeder jeden kannte. 

Nach Rostock fuhr ihn sein Fahrer Witte, denn Heinrich Höppner hatte das Automobil Nr. 2 in Rostock gekauft. 

Erst 1934 erhielt Papendorf eine Bahnstation. 

Um die Fahrt nach Rostock zu erleichtern wurde auf seine Kosten der 1,5 km lange Damm vom Dorf bis zum Sandkrug gebaut, allerdings nur eine Spur breit, während die andere Hälfte der Straße für den sandigen Sommerweg reserviert war, den die Pferde lieber mögen (Sandweg für Pferdefuhrwerke). 

Höppner wollte Dorfstraße und Steindamm auch mit Strom aus seiner Dampfmaschine erleuchten. Scheiterte aber im Gemeinderat am Widerstand der Bauern, die um die Nachtruhe ihres Viehs bangten. 

Heinrich Höppner war aktives Mitglied des Gemeinderates und nahm erstaunlich oft an den Sitzungen teil. Immerhin war er der größte Arbeitgeber und Steuerzahler, der etwa 200köpfigen Gemeinde und achtete sorgfältig darauf, dass seine Interessen und die der Ziegeleibewohner berücksichtigt wurden. 

Schließlich wurde auch für seine Frau Bertha das Landleben attraktiver durch das Telefon. Die Villa erhielt die Nummer 46 und als sich das Telefonnetz erweiterte die Telefonnummer 4646. So behielt Bertha Höppner die Verbindung zu ihren Freunden und Freundinnen in Rostock und litt nicht unter der räumlichen Trennung. 

Zu Heinrich Höppners großem Kummer qualifizierten sich beide Söhne nicht für die Leitung des Unternehmens. Hans Höppner starb kaum 40jährig im Sommer 1932 an einem Gehirntumor und Heinrich im Sommer 1941 an den Folgen eines Autounfalls. 

Viel Freude hatte Heinrich Höppner dagegen an der Tochter Erika, die 1923 den Direktor der Rostocker Neptun Werft Hans Killinger heiratete. 

Heinrich Höppner starb im August 1926 an Diabetes. Er wurde aufgebahrt im Maschinenhaus seiner Ziegelei, wo seine Mitarbeiter von ihm Abschied nahmen. Seine Prokuristen trugen den Sarg. Seine letzte Ruhe fand er auf dem Neuen Friedhof in Rostock, den der Gartenbaudirektor Wilhelm Schomburg angelegt hatte, der auch den Park der Villa gestaltet hatte. 

Heinrich Höppner hatte testamentarisch seinen Schwiegersohn Hans Killinger als seinen Nachfolger in der Geschäftsführung der Heinrich Höppner Unternehmungen bestimmt. Killinger konnte, unterstützt von tüchtigen Mitarbeitern, diese Position ausfüllen neben seiner Tätigkeit als Sprecher des Vorstandes der Neptun Werft AG bis zur Wirtschaftskrise 1929. Dann musste er zu seinem großen Bedauern bei der Neptun Werft AG ausscheiden, um sich in diesen schwierigen, wirtschaftlich trostlosen Jahren ganz der in eine Heinrich Höppner GmbH umgewandelten Firma widmen zu können. 

In Papendorf wurde seit 1930 nicht mehr gearbeitet Heinrich Höppner hatte in seinem Testament u.a. angeordnet, dass an seine vier Erben, seine Witwe und seine drei Kinder je 1.500 Mark pro Monat ausgezahlt würden. Jährlich also 72.000 Mark. Das war bei guter Konjunktur kaum, in den Jahren 1929 ff. bei ruhender Produktion unmöglich zu verdienen. Die Banken waren nicht bereit die Kreditlinien zu erhöhen. 

Hans Killinger war daher gezwungen, als Geschäftsführer der Heinrich Höppner G.m.b.H. im Sommer 1933 Konkurs anzumelden, da die Erben nicht bewegt werden konnten, auf ihre monatlichen Zahlungen zu verzichten. Aus der Konkursmasse erwarb Hans Killinger im Sommer 1933 die Ziegelei Papendorf einschließlich Villa. Er bewohnte sie mit seiner Familie ab 1927, nachdem die verwitwete Frau Bertha Höppner nach Rostock gezogen war. 

Die Familie in Papendorf – Teil II 

Erika Killinger geb. Höppner 

*16.August 1904 – † 18.November 1989 

Hans Killinger 

*16. Dezember 1886 – † Februar 1947 

1927 – 1952 

Nachdem Heinrich Höppner am 8. August 1926 verstorben und seine Witwe Bertha nach Rostock gezogen war, zog 1927 die Tochter Erika gemeinsam mit ihrem Gemahl Johann Georg Friedrich – genannt Hans – Killinger und den beiden Kindern, Elisabeth Charlotte Henriette – genannt Lieselotte, und Hans Helmut in die Villa in Papendorf. Bereits im Juni 1927 gesellte sich mit Marianne das dritte Kind dazu. 1935 vervollständige sich die Familie mit der Geburt des vierten Kindes, Eberhardt. 

Der Einzug der Familie Killinger in die Papendorfer Villa war mehr als ein Generationswechsel. Aus einem gern genutzten zweiten Wohnsitz, der neben der Stadtwohnung gehalten wurde, wurde jetzt der ständige Wohnsitz. Killingers gaben die Stadtwohnung in der Stephansstraße 18 auf und zogen ganzjährig nach Papendorf. Um die Villa „winterfest“ zu machen, ließ Killinger eine Zentralheizung einbauen. Die Öfen jeder ein Schmuckstück im Jugendstil, wurden erst nach 1945 wieder benutzt und sind in der Zeit nach 1950 sämtlich von „Liebhabern“ abgebaut worden. 

Die Raumaufteilung der Villa änderte sich: die Halle, die bis dahin Empfang und Verteiler war, wurde mit einem quadratische Tisch und zwei Plätzen an jeder Seite zum Essraum der Familie. An dem Tisch fanden acht Personen Platz, die sechsköpfige Familie und die beiden Haustöchter, die vollen Familienanschluss hatten. 

Im nach Norden gelegenen Esszimmer wurde nur an Feiertagen, zu besonderen Anlässen und bei Abendgesellschaften getafelt. Das Zimmer war sehr fein eingerichtet mit getäfelten Wänden, Wandbeleuchtungen und die Stühle des eichenen Meublements waren dunkelrot bezogen. 

Die Vorderseite der Villa waren Herrenzimmer, Wohnzimmer und Salon – alle wie auch heute noch mit großen Türen verbunden, die meistens offen standen. 

Das Herrenzimmer wurde Anfang der 30 er Jahre Büro der Fabrik, wozu es durch seinen separaten Eingang vom Vestibül außerordentlich geeignet war. Im Büro stand das Telefon und es war der Arbeitsplatz des Buchhalters der Ziegelei. Ein zweites Telefon stand im Obergeschoss. 

Die Verlegung des Büros in die Villa hatte den unbeabsichtigten Nebeneffekt, dass die Familie aufs Engste mit allen Firmenangelegenheiten vertraut war. 

Das Wohnzimmer mit direktem Zugang von der Halle war möbliert mit einem Ecksofa, das rechts von der Hallentür begann und um die Ecke, bis an die Tür des Herrenzimmers, endete. Davor ein großer runder Tisch mit zwei Sesseln. Links vom Halleneingang stand ein kleiner Bücherschrank, in der Ecke der zwischenzeitlich abgebaute Ofen und gegenüber am Terrassenfenster ein eckiger, gefliester Tisch für Kartenspiele und dergleichen. 

Während der Sommermonate spielte sich das Familienleben ganz erheblich auf der Terrasse ab, dort wurde gefrühstückt, zu Mittag und auch zu Abend gegessen. Ein Fußbodenläufer wurde durch das Wohnzimmer gelegt, um den Teppich zu schonen. 

Der sich an das Wohnzimmer im Norden anschließende Salon war für Erika reserviert. Er war sehr fein möbliert. Sie nutze ihn unter anderem für Damengesellschaften und Bridge-Abende. Von der Familie wurde der Salon nur zu Weihnachten genutzt. 

Im Obergeschoss waren die Schlafräume und das Badezimmer, das separat vom Flur zu erreichen war. Das große Zimmer, dass von der Mitte des Flurs abgeht – zu Höppners Zeiten noch das Frühstückszimmer – war das Schlafgemach der Eheleute Killinger. Südlich davon, der über dem Herrenzimmer gelegene Raum, wurde zum Schlafzimmer der beiden Söhne Hans Helmut und Eberhardt. Nördlich des Elternschlafzimmers, über dem Salon gelegen, wurde durch eine neu eingezogene Wand ein zusätzlicher Raum geschaffen, in welchen Marianne, die erste Hausgeburt der Villa, einquartiert wurde. Auf der Westseite der Villa, oberhalb der Küche, hatte die älteste Tochter Lieselotte ihr Zimmer. Im Dachgeschoss hatten die Haustöchter je ein Zimmer. 

In diesem großzügigen, von den Kindern als selbstverständlich empfundenen Rahmen, spielte sich ein lebhaftes Familienleben ab, dessen Rhythmus von der Ziegelei, deren Arbeitslärm und Pfeifensignal bestimmt wurde. 

Das Pfeifen, ähnlich einer Schiffstute, hatte Kommandocharakter und bedeutete um 06:00 Uhr morgens Arbeitsbeginn und um 18:00 Uhr Feierabend. Dazwischen wurde um 8:00 Uhr die Frühstückspause an- und um 8:30 Uhr abgepfiffen. Dasselbe galt für die Mittagspause um 12:00 Uhr und deren Ende um 13:00 Uhr und die Nachmittagspause, die von 15:30 und 16:00 dauerte. Da die Dampfpfeife, die im Kesselhaus betätigt wurde, im ganzen Dorf zu hören war, war sie für Papendorf von ähnlicher Bedeutung wie der Big Ben für das britische Weltreich. 

Hans Killinger war Frühaufsteher, er ging vor dem Frühstück durch die Fabrik, um 7:00 Uhr war Frühstück und dann um 7:30 fuhren die Kinder mit dem Rad oder Eisenbahn zur Schule nach Rostock oder schlenderten zur Grundschule Papendorf. 

Heinrich Höppner hatte testamentarisch seinen Schwiegersohn Hans als seinen Nachfolger in der Geschäftsführung der Heinrich Höppner Unternehmungen bestimmt. Hans konnte, unterstützt von tüchtigen Mitarbeitern, diese Position ausfüllen, neben seiner Tätigkeit als Sprecher des Vorstandes der Neptun Werft AG bis zur Wirtschaftskrise 1929. Dann musste er zu seinem großen Bedauern bei der Neptun Werft AG ausscheiden, um sich in diesen schwierigen, wirtschaftlich trostlosen Jahren ganz der in eine GmbH umgewandelte Firma, Heinrich Höppner, widmen zu können. In Papendorf wurde seit 1930 nicht mehr gearbeitet Heinrich Höppner hatte in seinem Testament u.a. angeordnet, dass an seine vier Erben, seine Witwe und seine drei Kinder je 1.500 Mark pro Monat ausgezahlt würden. Jährlich also 72.000 Mark. Das war bei guter Konjunktur kaum, in den Jahren 1929 ff. bei ruhender Produktion unmöglich zu verdienen. Die Banken waren nicht bereit die Kreditlinien zu erhöhen. 

Hans Killinger war daher gezwungen, als Geschäftsführer der Heinrich Höppner GmbH im Sommer 1933 Konkurs anzumelden, da die Erben nicht bewegt werden konnten, auf ihre monatlichen Zahlungen zu verzichten. Aus der Konkursmasse erwarb Hans Killinger im Sommer 1933 die Ziegelei Papendorf einschließlich Villa. Das Glück war im hold, denn ab 1933 kehrten Aufträge und Arbeit in die Firma zurück und so konnte die Ziegelei an der prosperierenden Wirtschaft der nächsten Jahre bis 1939 teilhaben. 

Die Kinder, die aus der Schule in Rostock erst zwischen 14:00 und 15:00 zurückkamen, erhielten dann ein im Ofen warm gemachtes Tellergericht. 

Sonntags war es erwartungsgemäß ein bisschen gemütlicher, aber es stand als ungeschriebenes Gesetz fest, alle Mahlzeiten sind gemeinsam und pünktlich einzunehmen. 

Die unmittelbare Nähe zur Ziegelei bestimmte nicht nur den Rhythmus des Familienlebens, sondern wirkte ständig in das Familienleben hinein – besser gesagt: der Geschäftsbetrieb war ein Teil des Familienbetriebes. Geschäftsbesuche, Steuerberater, Ingenieure, wichtige Kunden, soweit sie zu Essenszeiten im Hause waren, aßen mit der Familie. Die Kinder waren, freiwillig oder unfreiwillig, immer Zeugen der Erwachsenengespräche und daher von Jugend auf mit allen Problemen, ob sie es verstanden oder nicht, zu mindestens verbal vertraut. 

Das Telefon war das einzige auf der Ziegelei und wurde für wichtige Angelegenheiten, Krankheit, Tod und dergleichen, auch von deren Arbeitern und Bewohnern mitbenutzt. 

Es soll nicht unerwähnt bleiben, dass das Ehepaar Killinger generöse Gastgeber waren und gern Gäste in der Villa sahen. Auch die Kinder durften Freunde, wie sie wollten, oft einladen, die dann auch häufig über Nacht oder übers Wochenende blieben. 

Transportmittel für die Eheleute war das Auto, für die Kinder das Fahrrad oder die Eisenbahn. 

Heinrich Höppner besaß das zweite in Papendorf zugelassene Auto und mit Ernst Witte, einen Fahrer. Hans Killinger war Selbstfahrer, was damals mehr und mehr üblich wurde und fuhr ab 1934 eine 2,9 l Mercedes, mit dem er viel unterwegs war und im Jahr ca. 25.000 km zurücklegte. Autoreisen wurden Mode. Die Reichstraßen waren in sehr gutem Zustand und das Netz der Autobahnen wuchs schnell, jährlich wurden etwa 1.000 km gebaut. Die Familie Killinger unternahm in dieser Zeit mit den Kindern Reisen nach Oberbayern, Ostpreußen, ins Rheinland und noch 1939 ins Sudetenland. Dabei wohnten die Kinder niemals mit im Hotel, sondern wurden in den örtlichen Jugendherbergen abgesetzt, was sie viel interessanter und amüsanter fanden. 

Diese fröhliche und glücklicherweise von keinen Krankheiten und Schulproblemen belastetet Zeit endete mit dem Kriegsausbruch am 1. September 1939. Schlagartig wurde alles anders, die Einschränkungen begannen sofort und wurden von Jahr zu Jahr härter und spürbarer. 

Die Ziegelei hörte auf zu arbeiten, die Saisonarbeiter reisten ab, der Eisenbahnfahrplan wurde ausgedünnt und von nun an erschienen täglich im Rostocker Anzeiger die Todesanzeigen mit dem Eiserenen Kreuz in der Ecke und dem Anfang: „Für Führer, Volk und Vaterland gab sein Leben….“. Bereits am 13. September 1939 fiel, zur großen Trauer von Hans Helmut, sein hochverehrter und heißgeliebter Klassenlehrer an der großen Stadtschule, Dr. Helms. 

Sofort bei Kriegsausbruch begann die Totalverdunkelung nicht nur der Fenster, sondern auch der Straßen- Auto- und Fahrradlampen, sowie die Ausgabe von Lebensmittel- und Kleiderkarten, Bezugsscheinen usw. 

Das Auto wurde in der Garage aufgebockt, Benzin gab es nicht mehr und man musste entweder mit dem Fahrrad oder mit der Eisenbahn nach Rostock fahren. 

Ab 1941 mieteten die Ernst Heinkel Flugzeugwerke das gesamte Fabrikgebäude und -gelände einschließlich des großen Schuppens zwecks Lagerung von Flugzeugteilen. Im ganzen Reichsgebiet mietete die Rüstungsindustrie leer stehende Gebäude, Tanzsäle usw., um für den Fall eines Bombenangriffs sehr schnell die Produktion mit dem Material aus den ausgelagerten Hallen fortsetzen zu können und von Stund an entwickelte sich zwischen den Heinkel-Werken in Rostock, Marienehe und Papendorf ein reger LKW-Verkehr, der bis zum Kriegsende anhielt. 

Um die Villa und die Fabrik vor Bombenangriffen zu tarnen, wurde Sie mit einem grünen Farbanstrich versehen, der die Villa für die nächsten 40 Jahre unansehnlich und hässlich machte. 

1936, also zu Friedens- und zu wirtschaftlich prosperierenden Zeiten, ließ Hans Killinger für den Fall der Fälle einen Hühnerstall an der nördlichen Gartenmauer bauen, um für eventuelle Lebensmittelknappheit vorgesorgt zu haben. 

Während des Krieges hatte die Familie Killinger 20 Hühner, die sie mit Eiern versorgten. Pro Huhn mussten allerdings 120 Eier pro Jahr abgegeben werden, so dass pro Huhn etwa ein Überschuss zwischen 70 und 100 Eier für die Familie verblieb. 

Auch drei Schweine durfte die Familie halten, weil sie bereits 37 Stück geschlachtet hatte. Der Schweinestall befand sich im Transformatorenhaus direkt am Gartenzaun. Aber auch hier war die allgemeine Rationierung der Lebensmittelmenge zu beachten. Die Schweine wurden vor der Schlachtung gewogen und das ermittelte Gewicht von den Fleischkarten abgezogen. 

Schließlich hatte die Familie noch eine Kuh und ein Pferd, Siegfried. Beide standen in der ehemaligen Garage unter der Veranda auf der Westseite der Villa. Das Pferd stammte aus dem Ziegelei-Betrieb und wurde dafür gebraucht, den von den Arbeitern nicht mehr bestellten Acker, sie waren zum großen Teil zum Militär eingezogen, zu bestellen. Es war damals üblich, dass die Arbeiter einen Acker für die Selbstversorgung selber hatten. Dieses Bestellen des Ackers machte nun der frühere Ziegelei-Arbeiter Friedrich Böttcher, mit dessen Sohn Hans Helmut gut befreundet war. Für die Kuh musste die Familie im Jahr 1.500 Liter Milch mit 3,5% Fettgehalt abgeben. Kurzum, seit dem der Zeigeleibetrieb ruhte, war aus der Villa ein kleiner landwirtschaftlicher Betrieb geworden. Erika butterte selbst und brachte die Familie somit wohlgenährt durch den Krieg. Sie produzierte sogar Überschüsse und konnte so Bombenflüchtlinge aus Rostock, die während der vier, aufeinander folgenden Angriffe nach Papendorf flohen, mit Frühstück und einer Erbsensuppe am Abend stärken. 

Nach der Niederlage in Stalingrad im Februar 1943 erreichte der „totale“ Krieg auch Papendorf und die Familie Killinger und riss diese auseinander. Liselotte, die gerade ihr Abitur machte, kam zum Arbeitsdienst und anschließend als Helferin zur Flugabwehr. Hans Helmut wurde im Februar 1943 Luftwaffenhelfer, kam anschließend zum Arbeitsdienst und dann zur Wehrmacht. 

Ab 1944 wurde die Villa, in die die Eheleute Killinger schon freiwillig Bombenflüchtlinge aufgenommen hatten, mit Flüchtlingen aus Ostpreußen, Pommern und Schlesien belegt, es waren bis zu 38, und die Betten standen in einigen Räumen dreifach übereinander. 

1945, am 1. Mai, besetzten die Russen Papendorf. In der Villa waren nur Erika, Hans und die drei Kinder Lieselotte, Marianne und Eberhardt. Alle Flüchtlinge hatten sich in Sicherheit gebracht, als sie ein Massaker in der Villa durch die Russen fürchteten. Das 

trat aber nicht ein, da der Landarbeiter Böttcher, der aus seiner russischen Gefangenschaft aus dem 1. Weltkrieg gut russisch sprechen konnte, positiv von der Familie Killinger berichtete. 

Weihnachten 1945 feierte die Familie zu fünft mit 38 Flüchtlingen nach sechs Kriegsjahren das erste in der gewonnenen Friedenszeit. Ein großer Weihnachtsbaum schmückte die Halle. Hans Helmut war nach englischer Kriegsgefangenschaft als Erntehelfer auf einem Bauernhof in Dalvers, nordwestlich von Osnabrück. 

1946 sequestrierten die Russen Fabrik und Villa, verhafteten am Ostersamstag Hans und Hans Helmut und fuhren alle Möbel ab. 

Während Hans Helmut nach drei Wochen aus dem Gefängnis in Rostock wieder entlassen wurde, allerdings mit der Auflage die Stadt und die Villa zu verlassen und sich nicht innerhalb eines Umkreises von 50 km aufzuhalten, verblieb Hans Killinger in Haft. Kurz darauf wurde Hans Killinger ohne Gerichtsverhandlung ins Lager Fünfeichen bei Neubrandenburg gebracht. Dort herrschten miserable hygienische Bedingungen. Von 15.000 Inhaftierten starben bis zur Auflösung des Lagers 1949 ein Drittel. Im Februar 1947 verstarb Hans Killinger, vermutlich an den Folgen einer Ruhr-Erkrankung. 

Offiziell ist die Familie erst nach der „Deutschen Einheit“ 1990 hierüber informiert worden. 

Erika wurde Abwesenheitspflegerin und es gelang ihr die Villa an das Hilfswerk der evangelischen Kirche zu vermieten, die in der Villa und in umliegenden Gebäuden eine Umschulung für kriegsversehrte Soldaten einrichtete, die wegen ihrer Verwundung den Beruf wechseln mussten. Die Flüchtlinge verließen nun bis ins Jahr 1949 die Villa. 

Die Familie Killinger verließ nun in den folgenden Jahren Papendorf in Richtung Berlin und Hamburg und fand letztlich in Hamburg eine neue Heimat. Die Villa und das Fabrikgelände wurden Anfang 1953 bei der ersten großen Enteignungswelle wegen „Republikflucht“ enteignet. Da die Toten des Lagers Fünfeichen während der gesamten DDR-Zeit verschwiegen wurden, musste für Hans Killinger ein anderer Grund gefunden werden. 

Erst 1990, nach der Wiedervereinigung, erhielt die Familie die Möglichkeit die Villa und das Gelände zurück zu bekommen, um ein neues Kapitel „Die Familie in Papendorf“ aufzuschlagen.